Gerade in der Karwoche zählt er zu den häufigsten Andachten: der Kreuzweg, bei dem betend anhand von 14 Stationen des Leidens und Sterbens Jesu gedacht wird. Fast jedes Gotteshaus hat eine bildliche Darstellung der Szenen. Ihr Inhalt und ihre Anzahl sind aber erst relativ kurze Zeit festgelegt: Papst Clemens XII. legte den Kreuzweg 1731 für die katholische Kirche verbindlich fest, seine weltweite Verbreitung fand er durch den heiligen Franziskanermönch Leonhard von Porto Maurizio. „Von den 14 Stationen haben sieben eine ausdrückliche Grundlage in den Evangelien, sechs werden aus der Passionsgeschichte erschlossen. Die vierte Station – Jesus begegnet seiner Mutter – ist legendär“, sagt Diplom-Restauratorin Gudrun Hanika.
Die Würzburgerin restauriert im Auftrag der Diözese Würzburg in ihrem Atelier in der Innenstadt derzeit eine Kreuzweg, dessen Vorlage auf die Zeit vor dem päpstlichen Erlass zurückgehen: den so genannten „Kreuzweg von den sieben Fällen“, der ab Sommer 2009 im restaurierten Neumünster wieder eine Platz bekommen soll. Zu sehen sind auf den jeweils etwa 2 auf 1,5 Meter großen Ölgemälden die Gefangennahme am Ölberg, die Vorführung Jesu vor Herodes, die Verurteilung durch Pilatus, die Geißelung, das Kreuztragen sowie die Niederwerfung Jesu au das Kreuz. „Ursprünglich gehörte noch eine Darstellung der Kreuzigung zu dem Siebener-Zyklus. Sie ist aber nicht mehr vorhanden.“ Die nach Hanikas Angaben qualitätvollen Kreuzwegstationen stammen ursprünglich aus dem Kitzinger Kapuzinerkloster. Zwei von ihnen waren zuletzt am Nordausgang in Richtung Lusamgärtchen zu sehen, aber wie die anderen vier Werke der Reihe über die Jahre stark in Mitleidenschaft gezogen und verschmutzt.
Allen Szenen ist gemein, dass Christus als Schmerzensmann am Boden dargestellt und der rohen Gewalt seiner Peiniger ausgesetzt ist. „Diese Andachtsform ist ein Gegenstück zu den Sieben Schmerzen Mariae. Zwar berichten die Evangelien nichts über sieben Fälle, doch galt der Umstand, dass beim Kreuztragen Simon von Cyrene die Last mittragen musste, als ein Zeichen für die Hinfälligkeit des Herrn in den Stunden der Not und des Todes“, sagt Hanika.
Vorlage waren die Kreuzwegdarstellungen von Johannes Sadeler I. aus dem Jahr 1589, die dieser in Form von Kupferstichblättern schuf. Vorlage hierfür war wiederum ein Passionsaltar von Christoph Schwarz. „Nach diesen Vorlagen wurden dann über Jahrhunderte hinweg verschiedenen Kreuzwege in unterschiedlichen Formaten und Techniken gefertigt“, weiß Hanika. Die Bilder aus dem Neumünster seien im Stil der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts gemalt. „Nachforschungen zu den Künstlern und Stiftern, deren Wappen auf einigen der Gemälde zu sehen sind, stehen noch aus.“ Interessant sei außerdem, dass der siebenteilige Kreuzweg an der Höchberger Straße zumindest teilweise nach der gleichen Vorlage, allerdings aus Stein gefertigt worden sei.
Bei der Restaurierung der Ölgemälde aus dem Neumünster geht es nach Angaben der Expertin vor allem darum, die stark verschmutzten und beschädigten Gemälde wieder mit ihren leuchtenden Farben zur Geltung zu bringen. „Herausragend ist, dass als Bildträger jeweils Leinwand aus einem einzigen Stück zum Einsatz kam, also ein sehr großer Webstuhl zur Verwendung gekommen sein muss“, erklärt Hanika. Bis zur aktuellen Überarbeitung seien nur kleine Restaurierungseingriffe erfolgt. Dadurch sind die originale Aufspannung mit handgeschmiedeten Nägeln auf dem ursprünglichen Spannrahmen erhalten geblieben.
Foto: © Markus Hauck (POW)/ aus: © Pressestelle Ordinariat Würzburg (POW), Aktuelle Nachrichten aus der Diözese, veröffentlicht 18.3.2008 / Markus Hauck (POW)